Jeannette Meißner et.al : Gefühle als Therapiekompass

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Jahr der Veröffentlichung
2022
Titel
Gefühle als Therapiekompass: Auf dem Weg zu einer schulenübergreifenden Behandlungsheuristik
Publikation
Manuskript in progress - Version 1.1 vom 1.3.23
Zusammenfassung

Auf dem Weg zu einer integrativen emotionsfokussierten Behandlungsheuristik in der Psychotherapie ("Allgemeiner Therapiekompass emotionsfokussierter Methoden", ATEM) werden im vorliegenden zweiten Teil die Grundlagen des ersten Teils aufgegriffen und grundlegende Implikationen für die therapeutische Arbeit abgeleitet. Gefühle wurden als zentraler und unmittelbar nutzbarer Kompass für die Psychotherapie hervorgehoben. Sie werden im Organismus auf verschiedenen neurobiologischen Ebenen prozessiert und im Geist erlebt (Damasio, 2021). Entlang dieser individuellen subjektiven Erfahrung unserer Patient:innen können sie helfen, automatisierte maladaptive emotionale Schemata und deren dysfunktionale Verhaltensmechanismen zu korrigieren. Der Fokus liegt hierbei auf einer wichtigen Frage der differenziellen Indikation: Wann sollte eher "top-down" mit Interventionen zur Emotionsregulation oder eher "bottom-up" aus den Affekten und Impulsen heraus mit Interventionen zur Emotionsprozessierung gearbeitet werden? Es gibt inzwischen zunehmend interdisziplinäre Bemühungen um ein gemeinsames Verstehen zentraler therapeutischer Wirkweisen. Ein Denken und Handeln in der Psychotherapie richtet sich regelmäßig auf emotionale Veränderungsprozesse, die im Grunde alle allgemeinen psychotherapeutischen Wirkfaktoren durchdringen. Die beiden Prozessarten "top-down" und "bottom-up", von präfrontal "hinab" und aus dem Hirnstamm "hinauf", sind zur vereinfachten Unterscheidung unterschiedlicher Emotionsverarbeitungsprozesse gut etabliert. Sie stehen miteinander in ständiger Wechselwirkung und lassen sich durch ineinandergreifende Prinzipien therapeutischen Handelns konzeptualisieren. Beide Prozessarten haben wichtige Bedeutung und greifen auf Aspekte bewusster wie unbewusster (bzw. expliziter und impliziter) Erinnerungssysteme zurück. Sie sind aber möglicherweise unterschiedlich wichtig für verschiedene Prozessschritte im Therapiegeschehen. Therapeutisches Handeln ist dabei letztendlich auf das Erreichen einer Balance zwischen emotionalem "Chaos und Rigidität" ausgerichtet in einem "window of tolerance" (Siegel, 1999) und hin zu einer optimalen emotionalen Selbstregulation. Hierfür werden im vorliegenden Teil sowohl methodische Ansätze der Emotionsregulation via "top down" Ausrichtung als auch zur Emotionsprozessierung via "bottom-up" Ausrichtung vorgestellt und zur speziellen Indikationsstellung Therapieschulen-übergreifende Leitfragen formuliert.